Handynutzungsvertrag & Co: Schützen wir unsere Kinder im Internet!

Diesmal fand der Informationsvortrag zum Thema Internetsicherheit auf dem Elternabend unserer 4. Klässler statt. Hier zur Erinnerung (und Weitergabe an diejenigen, die nicht anwesend sein konnten) eine Kurzzusammenfassung, ein Link zum erwähnten Handynutzungsvertrag sowie darüber hinausgehenede Infos zum Thema.

Eine Ihren Kindern angemessene Nutzung ist dabei das Ziel, bei dem wir als Schule wichtige Hinweise geben können, so z.B. im Rahmen des Computerkurses, der jedes Jahr für unsere 6. Klässler stattfindet.

Aber nur Sie, als Eltern, können und sollten ein Auge darauf haben, wie Ihre Kinder Handys, Computer und Spielkonsolen nutzen, vor allem wie lange und für welche Inhalte!

Hier sind wir und Ihre Kinder auf Sie angewiesen.

Mein Fazit, wie jedes Jahr: Im Straßenverkehr (und in vielen anderen Lebenslagen) sprechen Sie mit Ihren Kindern zuerst über Gefahren und richtiges Verhalten, Sie schützen Ihre Kinder so gut es geht.
Dann tun Sie’s doch (bitte!!) auch im Internet.

Hier noch einmal der Hinweis auf den Handynutzungsvertrag (hier zum Download im Word-Format)) für Sie und Ihre Kinder. Er ist aus meiner Sicht unverzichtbar, vor allem um ein Gespräch mit den eigenen Kindern zu führen, was erlaubt ist und was nicht und mit welchen Konsequenzen sie ggf. rechnen müssen. Ob Sie diesen Vertrag dann auch schriftlich abschließen, ist nicht ganz so wichtig (obwohl ich es empfehlen würde…).

Peter Beck-Moretti

Und hier noch einmal der Link zu einem Vortrag über WhatsApp, den ich vor einiger Zeit gehalten habe, der aber nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat!

Es folgt ein Auszug aus dem absolut lesenswerten Elternbrief von Günter Steppich, Fachberater für Jugendmedienschutz am Staatlichen Schulamt für Wiesbaden und den Rheingau-Taunus-Kreis zum Thema Smartphones.

Elternbrief von Günter Steppich (hier der Link zum Original):

Liebe Eltern der neuen Fünftklässler,

….

Sicherlich beabsichtigen etliche von Ihnen, ihren Kindern zum Übergang auf die weiterführende Schule ein Handy oder gar ein Smartphone zu schenken. Gegen ein einfaches Handy, mit dem man telefonieren und SMS schicken kann, ist in dieser Altersgruppe nichts einzuwenden, obwohl es von Seiten der Schule aus keinen Grund gibt, warum Ihre Kinder überhaupt ein Telefon in die Schule mitbringen sollten, denn im Sekretariat kann in Notfällen jederzeit telefoniert werden. ….

Von der Anschaffung eines Smartphones für Fünftklässler möchte ich Ihnen dringend abraten, insbesondere in Verbindung mit mobilem Internetzugang per Flatrate! Ich hatte als Fachberater für Jugendmedienschutz des Staatlichen Schulamts und des Hessischen Kultusministeriums im vergangenen Schuljahr alle Hände voll damit zu tun, digitale Schadensbegrenzung zu betreiben, insbesondere in Fällen von entgleisten Nacktfotos („Sexting“) und Onlinemobbing per WhatsApp und Facebook, pädophilen Übergriffen in Chats sowie jugendgefährdenden Inhalten wie Pornografie und Tötungsvideos. Aber auch Tierquälervideos oder Grusel-Kettenbriefe haben das Potential, Fünftklässler heftig zu verstören. Und seit Ende letzten Jahres melden sich immer mehr Kinder in Dating-Apps wie Lovoo an oder streamen live auf Younow.com, Plattformen, von denen die Mehrzahl der Eltern noch nie gehört hat.

Der Schwerpunkt dieser Fälle lag in Klasse 6-8, ich hatte aber auch einige Fälle im Grundschulbereich dabei, auf der ganzen oben aufgezählten Palette, z.B. wegen einer WhatsApp-Gruppe namens „4b ohne Paula“! Über eine starke Zunahme von Problemen durch Whatsapp-Gruppen in der Unterstufe beklagen alle Schulen, mit denen ich zu tun hatte.

Aus meiner Sicht gibt es für Besitz und Nutzung von Smartphones durch Kinder unter 14 Jahren keinen einzigen plausiblen oder gar zwingenden Grund, aber jede Menge Argumente dagegen. Ein ganz simpler Aspekt ist etwa, dass die Nutzung von WhatsApp ihrem Kind jede Menge wertvolle Zeit stiehlt, die zu Lasten wichtiger anderer Aktivitäten geht, insbesondere was Hausaufgaben und reale soziale Kontakte angeht. Was Zehnjährige in zwei Stunden per WhatsApp besprechen, lässt sich in fünf Minuten per Telefon klären!

Laut einer aktuellen Umfrage unter Siebtklässlern laufen übrigens in deren WhatsApp-Klassengruppen an Wochentagen zwischen 22 und 7 Uhr morgens durchschnittlich ca. 500 Nachrichten auf! Schlafmangel dank der täglichen virtuellen Übernachtungsparty ist garantiert, wenn Kinder ihre Smartphones nachts mit ins Kinderzimmer nehmen dürfen.

Nach meinen Erfahrungen aus den vergangenen Jahren an zahlreichen Schulen in ganz Hessen, ist erst ab der 8. Klasse immerhin eine Mehrheit der Kinder in der Lage, mit einem Smartphone einigermaßen souverän, verantwortungsbewusst und überlegt umzugehen, allerdings nur unter der Voraussetzung,  dass ihnen jemand die elementaren Nutzungsregeln beibringt, was leider eher die Ausnahme als die Regel ist. Und selbst wenn Sie Ihrem eigenen Kind den reflektierten Umgang mit diesen Geräten vermitteln können, kann niemand dieses Kind vor Inhalten schützen, die es von Freunden und Mitschülern zugeschickt bekommt. Mit einem internetfähigen Smartphone geben Sie Ihrem Kind Vollzugriff auf die komplette Erwachsenenwelt, mit all ihren unbestrittenen Vorzügen, aber auch mit jeglichen negativen Auswüchsen, vor denen Sie es im realen Leben aus gutem Grund schützen. Das Internet ist ein kompletter Spiegel des realen Lebens, und das gilt auch für vermeintlich harmlose Websites wie Google, Youtube oder Facebook. Mit zwei bis drei Klicks sind Sie hier z.B. bei Hardcore-Pornografie oder Tötungsvideos. Geben Sie nur einmal in der Google Bildersuche das Wort eklig ein. Die Frage ist daher nicht, in welchem Alter Sie ihrem Kind diese Möglichkeiten erlauben wollen, sondern vielmehr, wann sie ihm das zumuten möchten!

Auf den Smartphones mancher Unterstufenschüler kursieren Inhalte, die ich hier gar nicht als Beispiele posten dürfte, weil ich mich damit nach dem Jugendschutzgesetz strafbar machen würde. Auch wenn ihr eigenes Kind solche Inhalte abstoßend findet und niemals im Internet danach suchen würde – es genügt ein einziger problematischer Kontakt über WhatsApp, z.B. in der Klassengruppe, um Einschläge in der Seele Ihres Kindes zu erzeugen, die es nur sehr schwer verarbeiten kann, und die es Ihnen aus Scham mit hoher Wahrscheinlichkeit vorenthalten wird. Erst Mitte Juni hatte ich mit einem Fall an einem Frankfurter Gymnasium zu tun, an dem in der Jahrgangsstufe 6 ein Enthauptungsvideo der Terrorgruppe IS per WhatsApp verbreitet wurde. Es dauerte Wochen, bis diese Information zu den ersten Eltern durchdrang!

Ein Smartphone mit Internetzugang ist ein Werkzeug, mit dem man sich selbst und anderen heftige psychische Verletzungen zufügen kann, und für dessen kompetente Nutzung, wie bei jedem anderen Werkzeug, ein gewisser Reifegrad erforderlich ist, über den Kinder unter 12 Jahren aus entwicklungspsychologischer Sicht noch gar nicht verfügen können. Professor Dieter Braus, Leiter der Psychiatrie in den HSK, bezeichnet diese Werkzeuge bei seinen Vorträgen gar als Waffen, er berichtet von Patienten, die mit „Smartphoneverletzungen“ in seiner Praxis  behandelt werden müssen.

Die AGB von WhatsApp erlauben dessen Nutzung erst ab 16 Jahren (!), Facebook ist erst ab 13 erlaubt und auch für auf den ersten Blick harmlose Spiele wie Clash of Clans gilt diese Altersgrenze – wussten Sie z.B., dass es in Clash of Clans hunderte von Clans mit Titeln wie “Deutsches Reich”, “Hitlerjugendcamp”, oder “Al Kaida” gibt? Mal abgesehen von dem offensichtlichen Interesse solcher Spiele am Taschengeld ihrer Kinder, die mit dem Kauf von virtuellen Juwelen für echtes Geld Bauzeiten verkürzen und ihre Kampfstärke erhöhen können. Die Zahlungsmittel dafür gibt es in jedem Supermarkt in Form von iTunes- oder Google-Play-Guthabenkarten.

Ein Smartphone erfordert zwingend einen smarten Benutzer!

Meine Handyempfehlungen:

  • Handy nicht vor Klasse 5, Smartphone erst mit ca. 14 Jahren, mobiler Internetzugang (Flatrate) ab 16 Jahren.
  • Schließen Sie für das Handy des Kindes keinen Vertrag ab, sondern kaufen Sie eine Prepaidkarte, das begrenzt u.a. auch Abzocke mit Abofallen und Premiumnummern sowie Missbrauch, falls das Handy verloren geht oder gestohlen wird.
  • Lassen Sie vom Provider eine Drittanbietersperre einrichten. Das kostet nichts und schützt vor diversen Abzockmaschen. Bei der Telekom und bei Vodafone können Sie auch alle Premiumnummern sperren lassen.
  • Erhöhen Sie das Taschengeld um ein paar Euro und lassen Sie Ihr Kind die Kosten für die Prepaidkarte selbst tragen, dadurch lernt es einen bewussten Umgang mit dem Handy.

Sollte Ihr Kind ihnen mit dem Argument „alle anderen haben das“ Druck und ein schlechtes Gewissen machen, empfiehlt sich ein Blick in die KIM-Studie 2014 (www.mpfs.de), laut der knapp ein Drittel der 10-11jährigen in Deutschland über ein Smartphone mit WhatsApp verfügten. Selbst wenn sich diese Zahl über Weihnachten verdoppelt haben sollte, wäre das immer noch sehr weit weg von „alle“. Sorgen wegen Ausgrenzung oder gar Mobbing, falls Ihr Kind kein Smartphone besitzt, müssen Sie sich definitiv nicht machen – diese Phänomene hatten schon immer gänzlich andere Ursachen als Markenkleidung oder andere Statussymbole, und wir können unseren Kindern auch nicht mit einem schicken Smartphone 150 Gramm Selbstvertrauen in die Hand drücken, das funktioniert nicht.

Falls Ihr Kind bereits über ein Smartphone verfügt, empfehle ich Ihnen dringend, es mit einer Kinderschutz-App wie FragFinn (iOS und Android) oder Vodafone Child Protect (Android) kindersicher zu machen. Ebenso sollte Ihr Kind nicht die Möglichkeit haben, selbständig Apps auf seinem Handy installieren zu können, Sie als Eltern sollten allein das Passwort zum Google- oder iTunes-Konto Ihres Kindes kennen, damit Sie sich jede App, die das Kind installieren möchte, gemeinsam ansehen können.

Auf meiner Website www.medien-sicher.de finden Sie weitere Informationen zur Medienerziehung, unter anderem ein Quiz, mit dem Sie ihren persönlichen Wissensstand zu diesem Thema testen können:

http://www.medien-sicher.de/quiz-fit-fuer-medienerziehung

Auch für die Kinder gibt es dort ein dreiteiliges Quiz mit insgesamt 44 Fragen: http://www.medien-sicher.de/schuelerquiz-fit-fuers-internet

Günter Steppich

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